Rolli-Hund/Tierheim Alslfeld

Geschichten aus dem Tierheim Alsfeld

So wundervoll wie alle anderen

Ihnen fehlt ein Bein, sie sind blind oder querschnittsgelähmt – und damit kein bisschen weniger liebenswert. Sich um Hunde oder Katzen mit Handicap zu kümmern, erfordert ein besonderes Maß an Empathie, Liebe und Fachwissen. Doch es lohnt sich. Denn das, was die Tiere uns zurückgeben, wenn wir ihnen die Chance auf ein schönes Leben geben, ist mit keinem Geld der Welt zu bezahlen. 

In einem Interview mit Ann-Cathrin Schmidt, 1. Vorsitzende des Tierheim Alsfled, spricht sie über ihre Erfarhung und leidenschaftliche Arbeit mit Handicap-Tieren.

Was macht das Leben mit einem
Handicap-Tier aus?

Ich selbst lebe mit zwei blinden Katzen zusammen. Und staune allein jeden Tag über die Fähigkeiten meines blinden Katers. Wie leichtfüßig er durch ein Haus mit mehreren Stockwerken läuft und wie er unter Aufsicht mit voller Freude durch das Herbstlaub hüpft. Das sind Momente, die einen voller Faszination auf die Tiere blicken lässt, und die einem zeigen, dass wir von ihnen unheimlich viel lernen können, weil sie ihre Situation, ihr Schicksal sozusagen beim Schopf ergreifen und jeden Tag mit ganz viel positivem Einklang annehmen. Natürlich kann man das nicht auf alle Tiere übertragen, aber es ist einfach immer wieder faszinierend. Mir geht das Herz auf, wenn ich Videos geschickt bekomme und zwei dreibeinige Hunde wie wild ausgelassen auf einer Wiese rennen. Sie zeigen, was wir uns bei ihnen abgucken können. Nämlich, dass sie mit Stolz durchs Leben gehen – auch wenn sie ein Handicap mit sich tragen.

Was bedeutet die Pflege der
Handicap-Tiere für den Tierheimalltag?

An erster Stelle gebührt unseren Mitarbeitern ein ganz großes Lob. Ohne sie wäre all das nicht möglich. Sie haben natürlich den enormen Pflegeaufwand im Tierheim täglich vor Ort. Wenn sie den Tieren nicht so positiv gegenüber eingestellt wären, wäre die Möglichkeit der Adoption gar nicht gegeben. Natürlich war das auch für uns ein Prozess im Laufe der Jahre. Auch wir hatten irgendwann das erste Mal einen Hund mit Rollstuhl im Tierheim und mussten das Handling lernen. Aber die Tiere und die Mitarbeiter wachsen gemeinsam – das ist das, was ich über die vielen Jahre sagen kann. Wir sind ein Tierheim mit ganz viel Herzblut. Wir stehen Menschen mit Besonderheiten genauso offen gegenüber, wie Tieren. Und ich würde mich freuen, wenn mehr Tierheime den Mut aufbringen würden, Handicap- Tieren die Möglichkeit einer Aufnahme zu geben.

Was gibt Ihnen im Alltag Kraft?

Die Tiere. Allein die Happyend-Geschichten mitzuerleben, wenn ein besonderes Tier ein liebevolles zu Hause findet – das lässt das Herz lachen, das gibt einem die Energie zum Weitermachen. Und die Energie für jedes weitere Tier einzustehen. Ich muss natürlich auch ganz ehrlich sagen, es gab auch schon Pflegetiere, wo ich gemerkt habe, die bringen mich an die Grenzen. Die haben mich auch viele Tränen gekostet. Gerade wenn es Tiere sind, die einen besonderen Pflegeaufwand haben. Aber wenn auch diese Tiere sich durch eine intensive Pflege so gut entwickeln und dann ein Zuhause finden, von dem ich Bilder bekomme, denke ich: Dafür hat es sich gelohnt. Dafür macht man es.

 

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Frau Schmidt für den Einblick in ihre Arbeit mit Handicap-Tieren und bei ihren Kollegen für den täglichen tollen Einsatz.
Den ganzen "Du und das Tier" - Artikel zum Thema Handicap-Tiere findest du hier.

Ein Leben mit Handicap-Hund

Das Tierheim Alsfeld konnte bereits viele ihrer Handicap-Schützlinge in ein liebevolles Zuhause vermitteln. In einem kurzen Gespräch erzählt uns Sigal von ihrer Erfahrung mit Handicap-Hund. Sie und ihre Familie adoptierten den einäugigen Kuli aus dem Tierheim Alsfeld und könnten nicht glücklicher sein.

"Es war am 16. Juli 2019. Wir waren im Restaurant "Kuli Alma" in Frankfurt Mittagessen und fingen eine Unterhaltung mit zwei wundervollen Frauen, Ann-Catrin und Sabine, die am Nachbartisch saßen, an. Sie erzählten uns von einem Hund, der in Rumänien schon auf der Todesstation gewesen war und eingeschläfert werden sollte. Er war vor kurzem gerettet worden und wurde in das Tierheim Alsfeld gebracht. Er hatte nur noch ein Auge und innere Verletzungen. Mein Mann Nir und unsere drei Kinder, Camille, Zoe und Keanu standen alle mit ganz herzzerreißenden Blicken vor mir: „Bitte können wir ihn aufnehmen“. Wir hatten ja schon unsere Golden Retriever Dame Gioia und auch sonst sehr viel zu tun. Deshalb war ich nicht begeistert, stimmte aber zu in das Tierheim zu fahren, was wir sofort machten.  

Kuli kam direkt mit uns nachhause. Er war zurückhaltend und zu Beginn ein wenig unberechenbar, knurrte oft und bellte auf der Straße Menschen und Hunde an. Bei einigen Freunden, alle Veganer, war er aber sofort sehr zutraulich. Die Sorge, dass unsere Hündin ihn nicht akzeptieren könnte,  war sofort weg. Sie kümmerte sich ganz liebevoll um ihn. Kurz darauf fuhren wir alle in die Toskana wo auch Kuli sehr viel Spaß hatte. 

Wir hatten uns zuvor nie Gedanken darüber gemacht, ein Handicap-Tier in unserem Leben zu haben. Jedoch war das gar kein Thema, da wir auf dem Lebenshof „Freedom Farm“ in Israel regelmäßig zu Besuch sind und dort hauptsächlich Handicap Tiere, die vor der Tötung aus der Nutztierhaltung gerettet wurden,  leben. Für uns machte das keinen Unterschied. Was man definitiv sagen kann ist, dass man einfach immer merkt, wie dankbar Kuli ist, dass er ein liebevolles Zuhause gefunden hat. Er schenkt uns enorm viel Liebe. Seine Behinderungen scheinen ihn kaum noch zu stören und wir sind der Meinung, dass gerade das ihn so besonders macht. Immer wieder staunen wir wie wunderschön doch sein Auge ist und wie herzerwärmend sein Blick ist. Wir könnten uns ein Leben ohne Kuli nicht mehr vorstellen."